Umgang mit Pflanzenschutzmitteln

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Die nachstehende aktuelle Pressemitteilung macht nachdenklich. Hier wird von einer unabhängigen Stiftung beschrieben und beklagt, dass in Haus- und Kleingärten viel zu viel und teilweise auch längst verbotene Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Diese Mittel seien auch zu leicht zu bekommen. Die Stiftung bezweifelt ferner, dass bei vielen Anwendern die notwendige Sachkenntnis vorhanden sei.

Solche Feststellungen sind besorgniserregend und sollten Anlass sein, die Aufklärungsarbeit in unseren Vereinen zu intensivieren. Das im letzten Jahr zu Ende gegangene Fachberaterseminar hat sicher auch bei solchen Themen Hilfestellung gegeben. Bitte tragen Sie als Vorsitzender und / oder Teilnehmer dieses Seminars dazu bei, das Problembewusstsein bei diesen Themen zu schärfen, halten Sie die Augen in Kleingartenanlagen und Siedlungen offen und scheuen Sie sich nicht, Mitglieder Ihres Vereins auf ein mögliches Fehlverhalten anzusprechen und ihnen den richtigen Weg aufzuzeigen. Es würde unserem Image als Bewahrer einer lebenswerten Umwelt schaden, wenn Teile unserer Mitglieder so unverantwortlich mit Pflanzenschutzmitteln umgingen, wie dies in der Pressenotiz beschrieben ist.

 

PRESSEMITTEILUNG

Berlin, 01. August 2019

Aurelia Stiftung fordert strengere Regeln für Pflanzenschutzmittel in Haus- und Kleingarten

Recherchen der Aurelia Stiftung decken schwerwiegende Missstände auf: Hobbygärtner wenden Pestizide häufig falsch und ohne nötige Sachkenntnis an, Baumärkte kommen ihrer Informationspflicht nicht nach und in Onlineshops sind längst verbotene Mittel weiter problemlos erhältlich. Das Magazin „Stern“ bezieht sich in seiner aktuellen Ausgabe auf die Recherchen der Aurelia Stiftung.

Rund die Hälfte der deutschen Haus- und Kleingärtner wendet regelmäßig Pflanzenschutzmittel an, ohne über die nötige Sachkenntnis für die korrekte und sichere Anwendung der Mittel zu verfügen. Viele Freizeitgärtner können Pflanzenschädlinge und -krankheiten nicht voneinander unterscheiden. Sie setzen Pflanzenschutzmittel damit auf gut Glück ein – und das massenhaft: Die Aurelia Stiftung hat berechnet, dass pro Hektar Haus- und Kleingarten (HuK) jährlich rund 6,7 Kilogramm Pflanzenschutzmittel verkauft werden. Im Vergleich: Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sind es „nur“ 5,2 Kilogramm Pflanzenschutzmittel pro Hektar.

Die Aurelia Stiftung setzt sich für Bienen, Bestäuber und Artenvielfalt ein. Pflanzenschutzmittel können eine existentielle Gefahr für sie darstellen. Deswegen hat die Aurelia Stiftung nachgeforscht, inwieweit der Pflanzenschutzmitteleinsatz durch nicht-berufliche Anwender eine erhöhte Gefahr für die Gesundheit von Mensch, Tier und den Naturhaushalt mit sich bringt.

Für unsere Recherchen waren wir gemeinsam mit einem Reporter-Team des Magazins „Stern“ in Berliner Haus- und Kleingärten unterwegs und haben mit Gärtnern gesprochen. Wir haben Testkäufe in Baumärkten (darunter Hellweg, Bauhaus, Globus, Obi und Hornbach) und Gartencentern (Der Holländer) sowie bei diversen Online-Händlern (darunter eBay und Amazon) getätigt und dabei auch die gesetzlich vorgeschriebene Beratung durch die Verkaufsstellen unter die Lupe genommen. Einem Hinweis folgend, sind wir nach Slubice in Polen gefahren und haben inkognito in einem grenznahen Gartencenter und auf einem „Polenmarkt“ recherchiert. Unsere dortigen Erlebnisse sind in einer heute veröffentlichten Reportage im Stern (Ausgabe 31/2019) ausführlich geschildert.

Unsere detaillierten Forderungen und weitere Hintergründe finden Sie auf unserer Webseite: www.aurelia-stiftung.de/de/aktuelles/strengere-regeln-fuer-pflanzenschutzmittel-in-haus-und-kleingarten.html

In fast allen Fällen offenbarten sich grobe Defizite beim Verkauf und der Kundenberatung, zu der Verkäufer von Pflanzenschutzmitteln eigentlich gesetzlich verpflichtet sind. Die allgemeine Informationspflicht der Verkaufsstellen wurde fast immer missachtet, das anwesende Verkaufspersonal verfügte in keinem einzigen Fall über das nötige Fachwissen, um eine sachgerechte Beratung zu gewährleisten. Auch auf Nachfrage wurden keinerlei Hinweise zum Anwenderschutz, zur Umweltverträglichkeit, Lagerung oder Entsorgung gegeben. Nur in Einzelfällen wurden uns umweltschonende Maßnahmen oder Mittel als Alternativen zu chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln vorgestellt. Im Gegenteil: Teilweise wurde uns sogar ausdrücklich zum präventiven Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel geraten.

Auch Sicherheits- und Lagervorschriften wurden teilweise nicht eingehalten. In mehreren Verkaufsstellen standen hochgiftige Pflanzenschutzmittel in nicht verschlossenen Vitrinen und waren somit in Selbstbedienung erhältlich, was verboten ist. Bei unseren Online-Testkäufen konnten wir außerdem problemlos Mittel bestellen, die ausschließlich für berufliche Anwender zugelassen sind (z. B. „Biscaya® Spritzmittel“ von Bayer mit der Zulassungsnummer 005918-00). Die Sachkunde wurde nicht abgefragt. Zudem haben wir bei Online-Testkäufen längst verbotene Pflanzenschutzmittel (z. B. „Calypso® Perfekt Gartenspray“ von Bayer mit der Zulassungsnummer 006411-60) erhalten. Auch auf Online-Markplätzen (u.a. eBay, eBay Kleinanzeigen) werden unkontrolliert Pflanzenschutzmittel (von Privatpersonen) verkauft.

Aus den Ergebnissen dieser Recherche hat die Aurelia Stiftung elf konkrete Forderungen an die zuständigen Behörden sowie die Agrarministerkonferenz des Bundes und der Länder abgeleitet. Wir fordern unter anderem eine Reform der aus unserer Sicht grob mangelhaften Eignungsprüfung von Pflanzenschutzmitteln für HuK, ein Verbot des unkontrollierten Online-Handels mit Pflanzenschutzmitteln und ein Verbot aller Pflanzenschutzmittel für HuK, die Neonicotinoide enthalten und/oder systemisch wirken. Außerdem mahnen wir dringend eine Verbesserung der Informations- und Beratungsangebote durch öffentliche und industrieunabhängige Stellen an sowie strengere Kontrollen der Verkaufsstellen und konsequente Vollzugsmaßnahmen (Bußgeldzahlung und/oder Entzug der Verkaufslizenz), wenn Auflagen nicht eingehalten werden.

Die Forderungen der Aurelia Stiftung sollen dazu beitragen, dass Verbraucher, Tiere und Naturhaushalt vor den momentan existierenden Gefahren durch Pflanzenschutzmittel im HuK künftig besser geschützt werden. Hinsichtlich der vergleichsweise großen Menge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln im HuK, der mangelnden Beratung beim Kauf sowie der daraus resultierenden fehlerhaften Anwendung besteht dringender Handlungsbedarf. Frankreich hat sich in Anbetracht der auch dort aufgetretenen Probleme zu einem konsequenten Verbraucher- und Umweltschutz entschieden und Pflanzenschutzmittel für HuK generell verboten. Wir halten diese Maßnahme für vorbildlich.